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Der Kampf gegen die Zivilisation von Ernst Brennecke, Hamburger Abendblatt
"Basislager Livingsten" im Kunstverein Buchholz
Buchholz. David Livingstone war einer der großen Afrika-Forscher des 19. Jahrhunderts, der den dato unbekannten Kontinent durchstreifte, Bergketten, Seen und Flüsse entdeckte und schließlich für längere Zeit als verschollen galt. Er war einer der ganz großen wissenschaftlichen Abenteurer der Menschheit und war schon zu Lebzeiten eine Legende.
Wenn eine Kunstausstellung "Basislager Livingsten" heißt, dann weckt das trotz des geringfügig veränderten Namens romantische Erinnerungen an das 19. Jahrhundert. Begriffe wie Tropenhelm, Moskitonetz, Löwengebrüll und Kannibalen blitzen auf.
Wer derzeit mit diesen Erwartungen den Kunstverein Buchholz betritt, der wird völlig verblüfft sein. Denn dort hat der 1966 in Duisburg geborene Künstler Thorsten Tenberken nichts dergleichen aufgebaut. Zu sehen sind sieben Monitore und eine Leinwand. Und sie alle zeigen den gleichen Hauptdarsteller: Livingsten alias Thorsten Tenberken.
Dieses Basislager befindet sich nicht etwa im afrikanischen Urwald, sondern im häuslichen Dschungel aus Müll, Schmutzwäsche, Staubsaugern sowie wild gewordenen Schubladen und Stühlen. Dr. Livingsten hat den Kampf gegen die Zivilisation aufgenommen, die viel gefährlicher und hinterhältiger ist als der unerforschteste Urwald.
Das "Camp" von Dr. Livingsten befindet sich in seinem Arbeitszimmer. Es ist ein Zelt, das ihn hermetisch von Büchern in den Regalen abriegelt: ein Wissenschaftler, der den Kontakt zum Basiswissen verloren hat. Schon hier ist die ironi-sche Auseinandersetzung mit dem menschlichen Selbstverständnis nicht zu übersehen. Der Mensch ist nicht mehr die Krone der Schöpfung, sondern der Spielball seiner eigenen Vorstellungen geworden.
Eine zweite Ebene ist die Stellungnahme zum Stellenwert der Foschung. Diese hat nie ein Ende, weil sich die Aufgabenstellungen stets ändern. Dazu hat Tenberken zwei weitere Videos aufgenommen. Das eine zeigt ihn im Zweikampf mit einer Lampe, bei dem man weder den Initiator, noch den Sieger kennt. Die zweite Sisyphos-Arbeit besteht im Müllwegräumen. Immer wenn die Aktion beendet scheint, spingt einer der Behälter wieder auf und lässt den Inhalt auf den Fußboden kippen.
In einer anderen Szene gleitet Dr. Livingsten auf einem Boot über einen endlosen Fluss. Aber dieser ist nicht wegen der Wasserpflanzen uneinsehbar, sondern wegen des darin herumschwimmenden Industriemülls.
Die Szene der sieben Monitore wird indes von einem Action-Film auf einer Leinwand beherrscht. Das heißt, es ist die Parodie auf einen Action-Film. Denn der Gegner von Dr. Kung-Fu-Fighting Livingsten sind ein Klappstuhl und die Schubladen und Türen einer Einbauküche. Genüsslich hat Tenberken die Floskeln des Genres aufs Korn genommen. Und selbstverständlich liegt der Forscher und Kämpfer am Ende flach auf dem Boden: Das natürliche Ende eines ungleichen Kreuzzuges gegen eine Natur, die sich nicht beherrschen lässt. So skurril das anmutet, so komisch es wirkt, so bitter ist die Erkenntnis, dass hier unter anderem die Folgen des Klimawandels kunstvoll satirisch dargestellt werden. Die Umwelt verändert sich und ändert ihr Verhalten. Sie schlägt zurück und siegt.
Noch nie hat es so viel Spaß gemacht, den Kunstverein Buchholz zu besuchen. Und noch nie war es so wichtig.
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